Tag 6 – Mag.a Dr.in Irmgard Klein

Von Risiken und Nebenwirkungen

„Wut, Mut und Tränen wünsch‘ ich dir“ (Tobias Verch)

Bin ich in der „Firma“ Kirche als Institution hauptsächlich aus Berufsgründen? Wie kann ich die „Firma“ und mein duckmäuserisches Schweigen und Hinnehmen von so vielem eigentlich mit der biblischen Botschaft der Liebe oder mit meinem Gewissen vereinbaren? Mache ich mich schuldig, wenn ich ein patriarchales System, das mich und andere schädigt, weiter „fortpflanze“?

Es sind die Menschen, die mich in der „Gemeinschaft“ Kirche halten. Sie haben mich in die jüdisch-christliche Tradition eingetaucht und nähren mich nach wie vor. Meine Mutter, die mir selbstverständliches Vertrauen zur Wallfahrt und zu einer religiösen Reiselust und Neugier in jeder Hinsicht weitergegeben hat. Mein Vater, der für’s tägliche Beten vor dem Essen und dem Schlafengehen zuständig war. Meine Jungscharleiterin, die umweltverbunden, menschenrechtsengagiert, zukunftsorientiert gelebt und geglaubt hat. Meine geistlichen Begleiterinnen, die mir unendliche Stunden geschenkt und meiner Seele Boden und Raum zum Wachsen gegeben haben. Meine Schüler*innen, meine Student*innen, die so viele Fragen mutig und hoffnungsvoll stellen. Meine Freund*innen, die mit mir singen, mit mir beten, mit mir gehen, mit mir Wein und Brot und Wort teilen.

„Eine ganz bestimmte Identität wird uns von außen zugesprochen: Priester definieren unsere Identität als Laien; Männer sagen, wer und wie Frauen sind und zu sein haben. Wir aber glauben, gut für uns selbst denken und sprechen zu können und wollen selbst unsere Identität definieren.“ (Räuberinnensynode 28.04.1998)

Was die Theologiestudentinnen 1998 dem damals neuen Innsbrucker Bischof gesagt haben, rate ich zu beherzigen. Und schon zehn Jahre vorher hat eine andere Generation an der Universität in Innsbruck ihrer Wut Ausdruck verliehen.

Wir Theologinnen fordern:

  • Eingehen auf feministische Aspekte in allen Lehrveranstaltungen der theol. und phil. Fakultät
  • Bemühen um eine nicht sexistische Sprache und Vermeidung frauenfeindlicher Äußerungen
  • Anstellung von Frauen auf allen Ebenen der Fakultät (Professorinnen, Assistentinnen, Sekretäre)
  • Verstärkte Anstellung von Frauen in allen kirchlichen Bereichen und Positionen
  • Sozial verträgliche Arbeitszeiten bei besserer Bezahlung
  • Basisdemokratische Kirchenstrukturen und ein entmythologisiertes Priesterbild
  • Zulassung von Frauen zu einem neu verstandenen PriesterInnenamt

Wir treten auf gegen:

  • Moralische Verurteilung alternativer Lebensformen durch die Kirche
  • Fixierung der Frau auf die Mutterrolle“

(Studentinnenzeitung Sommersemester 1988)

Zu meiner eigenen Gesundheitsförderung halte ich mich von Orten mit zu viel systemischer Kränkung fern. (Pfarren, Liturgie etc.) Weil man einmal im Monat blutet, soll man weniger wert oder würdig sein und wird manchmal zum Ministrieren oder Fürbittenlesen gefragt? Naa! Das tut Menschen, die im Frauengeschlecht geboren sind, nicht gut, find ich. Besser still und heimlich oder laut und deutlich Blüten am stacheligen Patriarchat treiben.

„Frauen durchbrechen zuerst das geschlossene Denk- und Lebenssystem von Patriarchat, Androzentrismus und Sexismus auch in der Kirche. Sie tragen den erlittenen Druck noch als Ein-druck an sich wie das lange verdorrte Gras des Vorjahres die Abdrücke der Schneelast behält, bevor sich frische Grasspitzen herauswagen.“ (Herlinde Pissarek-Hudelist 1990)

Herlinde Pissarek-Hudelist, erste Professorin an der Theologie in Innsbruck, führt dieses Bild an anderer Stelle noch viel schöner aus. Immer machen sie und das braune Gras des Vorjahres mir Mut damit.

„Mir scheint es jedes Frühjahr wie ein Wunder, daß trotz aller Luftverschmutzung, trotz aller Verseuchung des Bodens die langen, fahlgewordenen Gräser des vergangenen Herbstes, die zuerst noch – wie im Negativ – den Abdruck der Schneelast bewahren, dann aber binnen Tagen Raum geben, verschwinden unter den kühnen neuen Grasspitzen. Zugleich bringt das kräftige Gelb des Huflattich und die blauweißrosa Fülle der Leberblümchen es immer wieder fertig, das bleiche Braun des Vorjahres zu erhellen.“ (Herlinde Pissarek-Hudelist 1989)

Mag.a Dr.in Irmgard Klein

Irmgard Klein


3 Gedanken zu “Tag 6 – Mag.a Dr.in Irmgard Klein

  1. Danke für die Worte, die auch mir aus dem Herzen sprechen. Der Wandel ist ins Rollen gekommen. Die Herren habem sich selbst ein Bein gestellt und jetzt ist die Zeit der Veränderung unaufhaltsam gekommen. Auch ich erwarte Mut bei den Briestern und Bischöfen, die auf der Seite der Gleichberechtigung sind, dass sie anarchisch Frauen weihen, ohne auf das OK von oben zu warten.

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